Plastik-FreiTag: Mikroplastik, die unsichtbare Gefahr

MikroplastikEine Weile war es still um das Thema Mikroplastik. Nun aber taucht es vermehrt wieder in den Medien auf. Grund dafür ist ein Antrag der Grünen, aufgrund dessen gestern erstmalig im Bundestag über einen Ausstieg aus der Verwendung von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln diskutiert wurde.

Was aber bitteschön ist Mikroplastik? Wofür wird es verwendet? Welche Auswirkungen hat es und wie können wir als Verbraucher damit umgehen?

Was ist eigentlich Mikroplastik?

Als „Mikroplastik“ bezeichnet man Plastikpartikel, die kleiner sind als 5 Millimeter. Es wird unterschieden zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik. Primäres Mikroplastik wird speziell hergestellt, z.B. zur Weiterverarbeitung in der Kunststoffindustrie oder zur Verwendung in Kosmetika und Reinigungsmitteln. Sekundäres Mikroplastik entsteht durch den Zerfall bzw. das Zersetzen von Plastikartikeln, z.B. Plastiktüten.

Mikroplastik gibt es in fester und in flüssiger Form. Auf der Liste der Inhaltsstoffe findet man es unter folgenden Bezeichnungen bzw. Abkürzungen:

  • Acrylat (ANM)
  • Acrylates Copolymer (AC)
  • Acrylates Crosspolymer (ACS)
  • Ethylen-Vinylacetat (EVA)
  • Polyamid (PA)
  • Polyester (PES)
  • Polyethylen (PE)
  • Polyethylenterephthalat (PET)
  • Polyimid (PI)
  • Polypropylen (PP)
  • Polyquaternium-7 (P-7)
  • Polyurethan (PUR)

Wofür verwendet man Mikroplastik?

Mikroplastik dient als Schleifmittel in Peelings, als Füllstoff, Bindemittel oder (z.B. in Reinigungsgels und Haarspülungen) als Filmbildner. Der BUND listet Produkte, die Mikroplastik enthalten. Da die Liste regelmäßig aktualisiert wird, macht es Sinn, dem BUND noch nicht darin enthaltene Produkte zu melden.

„Im Rahmen des Gutachtens „Untersuchung der Einsatzmengen von Mikroplastik-partikeln in kosmetischen Mitteln und Einschätzung des Einsatzes dieser Mikropartikel in anderen Anwendungsbereichen sowie Schätzung des Eintrags aus anderen Quellen“ (vgl. Antwort zu Frage 3) wurden mittels einer systematischen Literatur- und Dokumentenanalyse eine geschätzte Gesamtmenge von Mikroplastik in kosmetischen Mitteln aus Polyethylen (PE) von etwa 500 t ermittelt,die jährlich auf den deutschen Markt gelangen.“
Quelle

Tragen Sie Kontaktlinsen? Wie würde es Ihnen gefallen, zu wissen, dass Ihr Kontaktlinsen-Reiniger Polyethylen enthält? Benutzen Sie AOK Seesand-Peeling und sind der festen Überzeugung, dass es sich um ein rein natürliches Produkt handelt? Mitnichten – bei dem enthaltenen Schleifmittel handelt es sich um Polyethylen. Ihr Makeup enthält möglicherweise Polyester und Ihren Lidschatten entfernen Sie Abends mit einem Produkt, das Acrylates Crosspolymer enthält. Soviel zum Thema „empfindliche Augenpartie“…

Auch unsere Kleidung kann Mikroplastik in die Gewässer abgeben, nämlich Mikropartikel aus Polyester und Acryl, z.B. aus Ihrer Fleecejacke oder Ihrer Hight-Tech-Sportbekleidung. Schätzungen des WWF zufolge lösen sich pro Waschgang etwa 2.000 Plastikfasern ab und gelangen mangels ungenügender Filtermöglichkeiten (sowohl der Waschmaschine als auch der Kläranlagen) in unsere Gewässer.

Gesundheitliche Folgen

Wie das Video oben zeigt, finden sich die winzigen Plastikpartikel längst nicht mehr nur dort, wo sie gezielt eingesetzt werden. Sie wurden u.a. bereits in Mineralwasser, Bier und Honig nachgewiesen. Selbst unser Trinkwasser enthält Mikroplastikpartikel. Über konkrete Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit liegen noch keine gesicherten Studien vor. Fest steht aber, dass sich Umweltgifte in Plastik anreichern – auch im Mikroplastik, das wir mit unserer Nahrung zu uns nehmen. Bei Meerestieren wurden bereits gesundheitliche Auswirkungen beobachtet, wie z.B: Leberschäden und Unfruchtbarkeit. Experten sehen außerdem ein Risiko in der Anreicherung des Plastiks selbst, z.B. im Darm.

Folgen für die Umwelt

Kläranlagen sind mit den kleinsten Plastikpartikelchen überfordert. Was nicht ausgefiltert werden kann, landet in unseren Flüssen und Meeren. Der Anteil des Mikroplastiks, der von den Kläranlagen herausgefiltert werden kann, landet im Klärschlamm und so später auf unseren Feldern.

Bereits jetzt bestehen laut Umweltbundesamt 3/4 des Mülls in unseren Meeren aus Plastik. Mikroplastik ist – wie Plastik überhaupt – extremst langlebig. Es verrottet nicht. Was auch immer also an Mikroplastik woher auch immer in unsere Gewässer gelangt, es sammelt sich an und bleibt als unfreundliches und giftiges Erbe für unsere Nachkommen erhalten.

Auch Tiere leiden unter unserem unbedachten Umgang mit Kunststoff. Der Bundesregierung sind 250 Tierarten bekannt, die mit der Nahrung Kunststoffe aufnehmen. Viele verwechseln Plastik mit Nahrung. Diese Tiere nehmen mit dem Plastik auch die Giftstoffe auf, die an der Oberfläche gebunden sind, was u.a. Leberschäden zur Folge haben kann. Außerdem kann im Körper angereicherter Kunststoff zu inneren Verletzungen führen und dazu, dass die Tiere sich satt fühlen, tatsächlich aber verhungern. Selbst auf kleinste Lebewesen haben die kleinsten Plastikteilchen Auswirkungen. Sie geben diese in der Nahrungskette nach oben weiter – bis hin zum Fisch auf unserem Teller.

„Ihr [der Bundesregierung] liegen bisher nur Daten aus Mittelmeer und Pazifik vor. So ist das Verhältnis Plastikteilchen zu Zooplankton (kleine Tierchen im Wasser, Ruderfußkrebse aber auch Larven von Krebsen oder Fischen) im nordwestlichen Mittelmeer 1:2 und im pazifischen Müllstrudel sogar 6:1. Das heißt, auf ein Tierchen kommen sechs Plastikteilchen. Zooplankton spielt als Nahrungsquelle für Fische und viele andere Meereslebewesen eine entscheidende Rolle. Wenn nun auf ein Nahrungsteilchen sechs Plastikteilchen kommen, wird klar: Das Nahrungsnetz ist grundsätzlich gestört.“
Quelle

Und jetzt?

Bündnis 90/Die Grünen fordern vom Deutschen Bundestag  u.a. einen vollständigen Ausstieg aus der Verwendung von Mikroplastikpartikeln in Kosmetika und Reinigungsmitteln. Die Bundesregierung setzt bislang auf Freiwilligkeit. Tatsächlich haben (wohl eher auf Betreiben des BUND als auf Anraten der Bundesregierung) mittlerweile einige Unternehmen zugesichert, bis 2015 komplett auf die Nutzung von Mikroplastik in ihren Kosmetik-/Reinigungsartikeln zu verzichten. Es sind jedoch immer noch zu Firmen, die die schädlichen Inhaltsstoffe weiterhin verwenden. Solange die Bundesregierung nicht einsichtig ist und ein Komplettverbot umsetzt, kann der Verbraucher also nur selbst tätig werden. Darum:

  • Schneiden Sie sich die obige Liste der bedenklichen Inhaltsstoffe mit Abkürzungen aus und stecken Sie sie in Ihre Brieftasche. Vergleichen Sie beim Kauf von Shampoo und Duschgel, Make-up und Ähnlichem. Kaufen Sie nur Kosmetik- oder Reinigungsprodukte, die frei von Mikroplastik sind.
  • Sollten Ihre Lieblingsprodukte in der Liste des BUND stehen, suchen Sie sich Alternativen oder schreiben Sie den Hersteller an. Fordern Sie ihn auf, eine umweltfreundliche Alternative für die Mikroplastikkügelchen zu nutzen.
  • Wenn Ihre bevorzugten Produkte Mikroplastik enthalten, aber noch nicht in die Liste des BUND aufgenommen sind, fotografieren Sie das Behältnis mit der Liste der Inhaltsstoffe und melden Sie das Produkt nach.
  • Kaufen Sie keine Kleidung aus Kunststofffasern.
  • Klären Sie auch Ihre Freunde und Ihre Familie über das Thema auf.

Übrigens: Peelings kann man ganz einfach selbst herstellen, indem man natürliche Schleifmittel wie z.B .Meersalz, Weizenkleie, Haferflocken, Heilerde oder gemahlene Mandeln mit Joghurt, Quark, Wasser, Honig und/oder Öl mischt. Zutaten so dosieren, dass ein sämiger Brei entsteht. Diesen einmassieren und nach 5 Minuten mit lauwarmem Wasser nachspülen. Im Internet finden sich unzählige Rezepte für jeden Hauttyp. Viel Spaß beim Ausprobieren!

© Andrea Wlazik

Bisher in der Reihe „Plastik-FreiTag“ erschienen:

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