Polizeieinsatz

Vertuscht Aachener Polizeipräsident Körperverletzung?

Glaubt man dem Polizeipräsidenten und den Pressemitteilungen der Aachener Polizei, ist der gestrige Polizeieinsatz im Hambacher Forst zu Räumung der Barrikaden friedlich verlaufen. Niemand wurde verletzt. Wirklich niemand?

Absichtliche Fehlinformation?

Zum gestrigen Polizeieinsatz im Hambacher Forst schrieb die Pressestelle der Polizei Aachen in ihrer Mitteilung vom 22.01.2018, 7.38 Uhr u.a.: „Die Polizei Aachen gewährleistet den Schutz der RWE-MitarbeiterInnen und WaldbesucherInnen“.

Meine Tochter, gerade 18, Schülerin, war eine dieser WaldbesucherInnen. Gemeinsam wollten wir in den Wald, um zu sehen, ob bei der dortigen Barrikadenräumung alles mit rechten Dingen zugeht. Am Waldeingang wurden wir von etwa 10 Polizisten in voller Montur erwartet. Meine Tochter war von deren martialischem Auftreten so verunsichert, dass sie weinte.

Leider konnten wir der Situation nicht mehr aus dem Weg gehen. Wir mussten beide auf die Toilette und die Kompostklos standen hinter den Beamten. Um diese nutzen zu dürfen, mussten wir sowohl Ausweiskontrolle und Personenabfrage als auch eine Durchsuchung durch eine Beamtin in Kauf nehmen. Meine Tochter war entsetzt und schimpfte sehr. Es geht über ihr (und sicher nicht nur über ihr) Verständnis, dass man sich für einen Toilettenbesuch wie ein Schwerverbrecher behandeln lassen muss. Es war deutlich sichtbar, dass sie von der ganzen Situation mega gestresst war, dennoch konnte es der Truppleiter nicht lassen, ihr immer wieder Angst zu machen und zu sticheln. Mir fiel auf, dass die Beamtin meine Tochter gröber anzufassen schien als mich. Diese sagte aber nichts und so maß ich dem nicht allzuviel Bedeutung bei.

Erst nachdem wir eine Weile durch den Wald gegangen waren, bekam meine Tochter Schmerzen an den unteren Rippenbögen. Sie erzählte, dort habe die Beamtin unter die Rippen gegriffen und diese angehoben. Das habe kurz weh getan, aber sie hätte sich nicht getraut, etwas zu sagen. Auf dem Weg zur Barrikadenräumung wurden ihre Schmerzen immer schlimmer.

Keine Hilfe durch Polizeipräsidenten

An der Räumungsstelle hielt sich Polizeipräsident Weinspach auf, den sie ansprach, in der Hoffnung, dass dieser die Polizistin ausfindig macht und zur Verantwortung zieht. Ich bin mir sicher, zu diesem Zeitpunkt hätte meiner Tochter eine ehrlich gemeinte Entschuldigung genügt. Es waren bei der Durchsuchung nur zwei weibliche Polizisten eingesetzt. Für den PP wäre es ein Leichtes gewesen, die entsprechende Dame ausfindig zu machen. Sowohl meine Tochter als auch ich hatten sie als die Größere der beiden in Erinnerung. Weinspach jedoch wimmelte die Hilfesuchende ab. Er sei ja nicht dabei gewesen, sagte er. Sie müsse dann eben eine Anzeige gegen Unbekannt stellen.

Weder er noch die umstehenden und zuhörenden Polizisten scheinen sich dessen bewusst, dass sie verpflichtet sind, einer Körperverletzung nachzugehen, sobald sie über diese in Kenntnis gesetzt wurden. Minuten hätte es gedauert, die Sache aufzuklären. Nichts passierte, außer dass… Minuten später der ganze Trupp am Waldeingang abgezogen worden war – ein Schelm, wer Böses dabei denkt! An Dienstausweis und/oder Namen der unsensiblen Polizistin kamen wir somit nicht mehr.

Unangemessene Gewalt durch Beamte

In der Pressemitteilung von 21:18 Uhr wird Polizeipräsident Weinspach zum Polizeieinsatz wie folgt zitiert: „Wir werden es nicht zulassen, dass Besetzer bestimmen, wer in den Wald darf und wer nicht. Der Wald muss ein Ort sein, in dem sich alle Bürgerinnen und Bürger, Polizei, RWE-Mitarbeiter und auch Demonstranten sicher und vor allem uneingeschränkt bewegen können.“ Eine Erklärung, warum seine Beamten vor diesem Hintergrund unbescholtene Bürger behandeln wie Kriminelle und diesen mit unangemessener körperlicher Gewalt begegnen, sucht man in diesem Zusammenhang vergebens.

Weiter heißt es: „Bei dem Einsatz kamen keine Personen zu Schaden; Mitarbeiter von RWE, Aktivisten und festgenommenen Personen sowie die eingesetzten Beamten blieben nach bisherigen Erkenntnissen unverletzt.“ Abgesehen von meiner Tochter. Und von mindestens einem der Aktivistis. Festgenommen beim Versuch, eine Hebebühne zu besetzen, wurde die bereits vollständig fixierte Person von einem Beamten mit dem Unterarm gewürgt. Als Umstehende lautstark darauf aufmerksam machten, folgte trotz Protest weitere Gewalt gegen den wehrlosen Menschen. Einige Beamte formierten sich im Kreis um ihn, so dass der Tatort nicht mehr einzusehen war.

Polizeipräsident Weinspach wurde mehrfach aufgefordert, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Anstatt seine Position zur Deeskalation zu nutzen, beobachtete dieser die Situation mit einem nur als überheblich zu deutenden Grinsen. Zweimal ist der gute Mann seiner Pflicht nicht nachgekommen, zweimal ist eine Strafvereitelung im Amt zu vermuten. Zwei Menschen wurden mindestens verletzt und er hat davon gewusst. Dennoch schreibt die Pressestelle, niemand sei zu Schaden gekommen.

Schwarze Schafe schaden dem Berufsstand

Es waren auch freundliche Polizeibeamte vor Ort. Ein junger Mann, der verständnisvoll zu meiner Tochter herüberlächelte, weil er wohl sah, dass sie einfach nur gestresst war. Ein Polizist, der uns sehr freundlich und interessiert ansprach. Er hatte Verständnis dafür, dass wir als Anwohner schauen wollten, was heute im Wald los ist. Ein anderer Beamter, der (wenn auch erst nach mehrmaliger Aufforderung) den Polizeisanitäter herbeirief.

Polizeibeamte, wie die Dame, die durch ihr brutales Vorgehen meine Tochter verletzt hat und ihr wenig einfühlsamer Truppleiter oder der ignorante Polizeipräsident Weinspach, machen diese Eindrücke jedoch schnell wieder zunichte.

Polizeigewalt gibt es nicht? Doch, es gibt sie. Und der gestrige Tag hat mir gezeigt, dass sie jeden von uns treffen kann. Wir zivilen Personen haben in diesem Fall nur dann eine Handhabe, wenn wir jede Form von Kontakt mit der Polizei per Video festhalten, uns nie ohne Zeugen in entsprechende Situationen begeben und IMMER nach dem Dienstausweis fragen. Außerdem müssen wir so firm wie möglich mit den wichtigsten Pflichten der Polizei sein. Wir müssen Polizisten, die möglicherweise ihre mangelnde Kompetenz, ihr geringes Selbstwertgefühl oder Probleme im Alltag durch überhebliches Gehabe und unangemessenen Umgang mit uns kompensieren, mahnen. Wir müssen sie daran erinnern, dass sie mit ihrem Verhalten gegen Recht und Ordnung verstoßen und ihrem gesamten Berufsstand sowie dem Vertrauen der Bevölkerung zur Polizei erheblichen Schaden zufügen.

Körperverletzung und Strafvereitelung anzeigen

Meine Tochter ist extrem gestresst. Sie hat in der Nacht schlecht geschlafen, hatte Schmerzen und Alpträume. Dennoch ist sie so tapfer und erstattet gerade jetzt Anzeige gegen Unbekannt. Wir halten uns die Möglichkeit offen, zusätzlich Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und Strafvereitelung im Amt in mehreren Fällen gegen den Polizeipräsidenten zu stellen.

Zurück zu den Pressemitteilungen der Polizei Aachen: In der heutigen ist nun plötzlich der einst als friedlich verlaufen behauptete Einsatz ein lebensgefährlicher für die Einsatzkräfte gewesen. Dieser Widerspruch verwirrt mich nicht im Geringsten. Menschen werden verletzt und doch ist nichts passiert. Warum soll dieses Prinzip nicht auch andersherum funktionieren. Wenns grad passt…

Nachtrag – Strafvereitelung geht weiter

Als die Beamten am Empfang der Kerpener Polizei hörten, dass es sich um Körperverletzung durch eine Polizeibeamtin handelt, versuchten sie, meine Tochter zu manipulieren. Sie könnten sich das Geschilderte gar nicht vorstellen, das könne ja gar nicht sein. Schließlich versuchten sie, meinen Mann des Raumes zu verweisen, weil sie mit ihr alleine reden wollten. In ihrer Situation ist nur zu verständlich, dass sie dies ablehnte, woraufhin ihre Anzeige nicht aufgenommen wurde. Auf der anderen Straßenseite, gegenüber der Polizeidienststelle, gab es dann noch eine „spontane“ Ausweiskontrolle – vermutlich, um herauszufinden, wer da die Dreistigkeit besitzt, das Gesetz zu nutzen, um sich gegen übergriffige Polizeibeamte zu behaupten.

Wir werden nun einen Anwalt einschalten, um Strafanzeige zu stellen. Einige Dienstaufsichtsbeschwerden werden folgen.

 

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