Wie klein die Welt doch ist! Das haben Sie sicher auch schonmal gedacht. Diese Erkenntnis überkommt uns blitzartig immer dann, wenn wir Menschen, die wir weit weg glaubten, plötzlich und unvermutet in unserer Nähe entdecken. Da läuft uns dann z.B. im Supermarkt die Kindergartenfreundin über den Weg, die damals nach Kanada ausgewandert war. Der neue Arbeitskollege entpuppt sich als ehemals bester Kumpel oder im schlechtesten Fall als der Vollhonk, der uns auf dem Schulhof immer Häkchen gehalten hat. Wenn das nicht ein Zufall ist!
Es gibt allerdings auch Zufälle, die gibt es gar nicht. Zumindest sollte es sie nicht geben…
Zufall, Klüngel oder Amtsmissbrauch
Womit wir mal wieder beim Thema Amtsmissbrauch in der Kommunalpolitik wären. Er innern Sie sich an den Artikel „veRWEchselbar: Klüngel oder Amtsmissbrauch“. In diesem Beitrag ging es u.a. um Dürens Landrat Spelthahn (CDU), der seit 2011 Mitglied im Aufsichtsrat von RWE Power und Mitglied des RWE-Beirats Mitte ist. Auch im Aufsichtsrat der von RWE mit gut 10 Millionen Euro unterstützten Indeland GmbH hat Herr Spelthahn ein Pöstchen.
Ganz zufällig ist der gute Mann auch noch Leiter der Kreispolizeibehörde Düren, was aus folgendem Grunde interessant ist: Eine Zeitlang ließ die Dürener Polizei die Securities im Hambacher Forst, einem ehemals 5.500 Hektar großen ursprünglichen Wald, der laut BUND 142 geschützten Arten ein zu Hause bietet – dank RWE heute allerdings nur noch knapp 1.000 Hektar misst – frei schalten und walten. Da gab es brutale Übergriffe auf Umweltaktivisten, die den Wald besetzen, um ihn zu schützen. Und obwohl sie Informationen darüber hatte, sich wohl sogar im Wald aufhielt, tat die Polizei genau NICHTS. Was für ein Zufall, dass da ganz oben bei der Kreispolizei mitt Herrn Spelthahn ausgerechnet und unvermutet ein Mensch sitzt, der für RWE arbeitet. Zufälliger- und für RWE vermutlich auch praktischerweise wurden dann in der Polizeipresse die Aktivisten auch gleich mal eben vorverurteilt. So schnell wie die entsprechende Pressemitteilung an die öffentlichen Medien ging, konnte man gar nicht gucken. Ratzfatz waren die Umweltschützer zu Verbrechern geworden, ohne Gerichtsverfahren – sie waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal angehört worden.
Auch als Ende November 2014 eine Aktivistin auf einer Plattform in den Bäumen von Securities umstellt und brutal wachgehalten wurde, was defintiv eine Foltermethode darstellt und somit verboten ist, griff die Polizei nicht ein. Nicht einmal nach ausdrücklicher Aufforderung zum Handeln.
Was macht so ein Mensch, der da oben sitzt, eine Zeit lang die Strippen zieht wie es ihm gefällt und der sich dann Amtsmissbrauch vorwerfen lassen muss? Er hält erstmal die Füße still. Und überlegt sich etwas Neues. Schließlich ist er ja nicht er einzige seiner Art. Wir kommen später noch auf ihn zurück…
Noch mehr Zufälle
Im Aufsichtsrat der RWE Power AG sitzen u.a. die (Ober-)Bürgermeister von Eschweiler, Hürth, Köln und Essen (letzterer als Arbeitnehmervertreter), außerdem mehrere Landräte und ein Vorstandsmitglied der Commerzbank. Und Wolfgang Clement, ehemals SPD-Politiker, NRW-Ministerpräsident a.D. und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit a.D.
Clement sitzt gleichzeitig in den Aufsichtsräten von RWE und von DuMont Schauberg, dem Herausgeber des Kölner Stadtanzeigers, der sich u.a. durch die Veröffentlichung von Artikeln gegen die Hambacher Forstbesetzung – die zufällig Gegner von RWE-Power ist – hervortut. Dabei wird sich nicht immer an die Tatsachen gehalten. Bloße Verdächtigungen, reißerische Überschriften, die zu falschen Annahmen beim Leser führen müssen – oder auch einfach die kritiklose Übernahme der (zufällig durch Herrn Landrat Spelthahn befohlenen) Polizeipresse – sind dabei schon fast die Regel.
Wen haben wir denn da? Den Gollum…
Was für ein Zufall – da treffen wir ja noch einen alten Bekannten. CDU-Landtagsabgeordneter Gregor Golland ist – wie es der Zufall will – nebenberuflich für den Braunkohleriesen RWE tätig. Dieser gute Mann fordert vom Innenministerium die Verstärkung der Polizeikräfte und ein Vorgehen gegen die Aktivisten im Hambacher Forst, den RWE zur Ausweitung des Tagebaus Hambach ungestört weiter roden will. Wir schrieben bereits über den werten Herrn in unserem Artikel „Schon wieder Amtsmissbrauch bei der CDU“.
Es ist ja nun nicht so, dass CDU und SPD immer so ganz an einem Strang ziehen. In diesem Fall aber sind sich die beiden Kreisparteien einig – die „Störenfriede“ aus dem Hambacher Forst müssen weg. Sie behindern die Rodungsarbeiten und sind angeblich eine Gefahr für die Zivilbevölkerung…
Huch, den kenn ich ja noch gar nicht…
Mist. Jetzt kann ich mich nichtmal auf den Zufall berufen, sondern muss das „Kind“ einfach beim Namen nennen. Es heißt Josef-Johann Schmitz, ist Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag Düren und hat einen Antrag gestellt, mit welchem gefordert wird, das Problem mit den – ich fasse es mal zusammen „radikalen Umweltaktivisten, die sich nicht an die Gesetze halten, Mitarbeiter attackieren, letztere sowie die Polizei und sich selbst gefährden, Sprengsätze bauen und Spaziergänger in Angst und Schrecken versetzen“ mit der „notwendigen Entschlossenheit“ anzugehen. Hierfür fordert er, der – ich kann es mir nicht verkneifen – zufälligerweise neben Herrn Landrat Spelthahn im Aufsichtsrat der Indeland GmbH sitzt, folgende Personen bzw. Institutionen auf:
- Landesregierung von Nordrhein-Westfalen
- Landrat des Kreises Düren, also zufälligerweise Wolfgang Spelthahn (s.o.)
- Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Michael Kreuzberg, den wir hier auch noch nicht hatten, der aber – wie es der Zufall will – in verschiedenster Weise für RWE tätig ist:
- Mitglied der Gesellschafterversammlung des Verbandes der Kommunalen Aktionäre
- Kommunalbeirat Rhein-Erft
- Beirat RWE (Regionalbeirat Mitte) ab 2015
- Mitglied des Beitrats der RheinEnergie AG (20% RWE)
- Kreispolizeibehörde Düren, dem aufmerksamen Leser wird der Zufall nicht entgangen sein, vertreten durch Landrat Spelthahn
- Kreispolizeibehörde Rhein-Erft-Kreis – jetzt raten Sie doch mal, wer Leiter dieser Behörde ist… Korrekt: Landrat Michael Kreuzberg.
Alles Zufall?
Ich glaube, dass meine Leser kluge Leser sind und deshalb überlasse ich es ihnen, Schlüsse aus den oben genannten Zufällen zu ziehen. Nur eins: Sollten Sie genauso empört darüber sein wie ich, dass wir von Menschen regiert werden, bei denen auch nur ein klitzekleiner (oder zufällig auch ein begründeter) Verdachtsmoment besteht, dass sie unser aller Umwelt und den Ruf von Menschen, die sich für diese einsetzen, gefährden, um ihre goldenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, können Sie durchaus etwas tun.
Schreiben Sie an:
- die Mitglieder der SPD Kreistagsfraktion
- den Vorsitzenden der SPD Düren, Dietmar Nietan
- Landratskandidat für den Kreis Düren, Peter Münstermann (der übrigens zufällig sehr eng verbandelt ist mit der Indeland GmbH und RWE Power)
- Landrat Spelthahn
- Landrat Kreuzberg
- Grüne Kreis Düren
- Grüne Rhein-Erft-Kreis
- jeden, der sich heute für die Aktivisten einsetzen könnte.
Meine Mitteilung an die Kreisfraktion und die Parteien lautete:
Betrifft: Hambacher Forst Besetzung Sehr geehrte Damen und Herren, mit Empörung habe ich den Antrag der SPD für den Kreistag gelesen. 90% der dort gemachten Aussagen sind extrem schräg – um nicht zu sagen undemokratisch – gedacht oder schlichtweg falsch! Ich wage zu bezweifeln, dass derjenige, auf dessen Mist dieser Müll gewachsen ist, jemals im Forst war, um sich mit den Besetzern zu unterhalten. Diese jungen Menschen setzen sich für unser aller Umwelt ein. Ja, sie blockieren auch schonmal einen Bagger oder ein Transportfahrzeug. Und sie wehren sich auch schonmal gegen tätliche Angriffe der Securities, die von Bespucken bis hin zu unmotivierten Schlagattacken reichen. Aber sie würden NIE Spaziergänger angreifen. Und sie würden auch nicht den von ihnen so geliebten Wald oder ihre Mitstreiter gefährden, indem sie Sprengkörper platzieren. Wir waren schon des öfteren auf der sonntäglichen Waldführung des Waldpädagogen Michael Zobel. Aber auch außerhalb dieses Rahmens waren wir schon im Forst und auf der Wiese und haben uns mit den Besetzern unterhalten. Es sind durchweg friedliche junge Menschen, die lediglich schützen wollen, was schützenswert ist: einen Altwald, der über 140 teilweise bedrohten Tierarten Heimat bietet. Und mal ganz ehrlich, wenn die Politik nicht in der Lage oder Willens ist, gegen Großmogule wie RWE zu handeln, indem bestehende Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um diese Altwälder zu schützen (hier die Richtlinie FFH für den Stieleichen-Maiglöckchen-Hainbuchen-Bestand), sollte sie sich wohlwollend oder zumindest fair jenen gegenüber verhalten, die diese Aufgabe wahr nehmen. In diesem Sinne bitte ich Sie, sich bei der öffentlichen Kreistagssitzung am Donnerstag um 17:00 Uhr in der Bismarckstraße 16, Sitzungssaal 130 in Düren für die Aktivisten im Hambacher Forst einzusetzen. Freundliche Grüße |
Absolut lesenswert auch die Reaktion der Umweltaktivisten aus dem Forst auf den Antrag der SPD „SPD-Kreistagsfraktion wirbt mit fremdenfeindlicher Demagogie für Law-and-Order“.
Noch aktiver werden – gar nicht zufällig!
Heute, am Donnerstag, 26.03.2015 findet um 17 Uhr in Düren der 5. Kreistag statt, für den der Antrag eingereicht wurde. Es wäre prima, wenn sich zahlreiche Unterstützer für die Umweltaktivisten vom Hambacher Forst einfänden – und zwar im Sitzungssaal 130, Kreishaus Düren, Bismarckstr. 16.
Über diese Petition bin ich tatsächlich zufällig gestolpert: „Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!“. abgeordnetenwatch.de fordert mit dieser Petition die Offenlegung sämtlicher Einkünfte sowie die namentliche Nennung aller Geldgeber, was Lobbyverflechtungen, wie man sie in diesem Fall vermuten könnte, ausbremst.
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