pf_deinet

Manchmal fährt das Leben Karussell, manchmal Achterbahn. Unser Leben schlägt grad einen Looping nach dem anderen – bis zum Erbrechen. Damit der Plastik-FreiTag nicht einschläft, weil seine Sommerpause immer länger wird, muss er jetzt mal eine Weile aus der Konserve, gefüllt mit meinen vielen Erfahrungen aus der Zeit vor der Sommerpause, leben. Eine davon, meinen Einkauf bei Freikost Deinet, möchte ich heute öffnen…

Ein Abenteuer

Wie sehr habe ich mich gefreut, als ich Anfang 2014 zum ersten Mal von einem Geschäft las, in dem man verpackungsfrei einkaufen kann und das für mich nicht unerreichbar ist. Am 24.05.2014 eröffnete in Bonn-Duisdorf, knappe 50 km von mir entfernt, Freikost Deinet.

Trotz der geringen Entfernung dauerte es über ein Jahr, bis ich in den Genuss kam, diese Einkaufsmöglichkeit auszuprobieren. Niemand, der nicht außerhalb einer Großstadt versucht, plastikarm zu leben, ohne Führerschein und mit sehr beschränkten Geldmitteln, kann sich vorstellen, wie ich mich auf diesen Tag gefreut habe.

Eine Freundin hatte angeboten, mit mir zu Freikost Deinet zu fahren. Von meiner Mutter gab es einen kleinen „Zuschuss“, so dass ich auch finanziell nicht zwingend eingeschränkt gewesen wäre. Dennoch hatte ich mir vorgenommen, nur in unserem finanziellen Rahmen einzukaufen. Immerhin soll der Plastik-FreiTag tatsächlich für jeden Umsetzbares enthalten und am Geld scheitern derlei Vorhaben öfter als einem lieb sein kann. Allerdings nicht nur daran. Früher z.B. boten wenigstens exklusive Bioläden noch recht häufig lose Ware an, mittlerweile ist auch dort das Meiste eingepackt und zwar in Plastik…

Auf zu Freikost Deinet!

Mit einem überdimensionierten Rucksack prall gefüllt mit leeren Gläsern, einer Blech- und diversen Tupperdosen stieg ich ins Auto meiner Freundin ein. Der aufmerksame Leser mag über die Tupperdosen stolpern, deshalb hier kurz zur Erklärung: Ich werfe nicht ein Stück Plastik weg, das nicht wirklich seinen Geist aufgebeben hat. Umsteigen durch Wegschmeißen kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein, das würde nur zum Wachstum des ohnehin stetig ansteigenden Plastikmüllbergs beitragen.

Die Anfahrt war dank Navi relativ einfach. Wir bekamen sogar ganz unkompliziert einen Parkplatz in einer Seitenstraße. Allerdings hätte ich vor der Abfahrt keinen Kaffee mehr trinken sollen…

Freikost Deinet ist ein kleiner Bioladen, angesiedelt im Erdgeschoss eines Eckgebäudes am Anfang der Duisdorfer Fußgängerzone. Von außen wirkt der Laden klein, aber sehr heimelig. Vor der Türe luden zierliche Holztische und -stühle zum Sitzen ein.

Vom Inneren bekam ich zunächst kaum etwas mit, ich hatte ganz andere Probleme. Und so war meine erste Frage nach dem obligatorischen „Hallo“, ob es denn hier wohl auch eine Kundentoilette gäbe. Ich erwähne dies nur, weil ich schon die Toilette als besonders liebevoll und verpackungfrei gestaltet empfand. In einem kleinen Vorraum stand neben dem mit Seife bestückten Waschbecken ein Holzregal auf dem jemand mit viel Herz unzählige kleine Frottierhandtücher in bunten Farben drapiert hatte. Es gab einen Korb, in den man benutzte Handtücher legen konnte. Außerdem lagen in kleinen Körben Damenhygieneartikel bereit. Ich freute mich wie ein Kleinkind. Bescheuert, oder?

Als ich das Geschäft quasi „durch die Hintertüre“ wieder betrat, stand ich direkt in der Nische mit den losen Waren, durch die ich vorher nur durchgesaust war. In mehreren Reihen untereinander und längs der Wände gab es große Spender, gefüllt u.a. mit verschiedenen Sorten Nudeln, Reis und Hülsenfrüchten, diversen Getreidearten, Müslis und Müslizutaten, getrockneten Sojaschnetzeln, Nüssen aller Art, Weingummi und anderem Süßkram.

Das Abfüllen wurde geduldig erklärt und ist denkbar einfach: Man stellt seine mitgebrachten Behälter samt Deckel auf eine Waage, bekommt einen Aufkleber mit ihrem Leergewicht, befüllt und schließt die Dosen und klebt den Aufkleber auf. An der Kasse werden die vollen Dosen dann ausgewogen, das Leergewicht abgezogen und der Preis berechnet. Die vielen verschiedenen Getreidesorten kann man mahlen oder schroten lassen. Wer keine Behälter mitgebracht hat, kann Papiertüten oder (wirklich sehr hübsche) Kaufbehälter nutzen.

Freikost Deinet, Rochusstraße 266, 53123 Bonn-Duisdorf

Öffnungszeiten:
Mo – Fr: 9:00 – 18:30 Uhr
Sa: 9:00 – 14:00 Uhr

Weiter vorne im Geschäft, quasi in der „Mitte der Mitte“, zwischen der Käsetheke und der Abfüllstation für kostbarste Pflanzenöle und edlen Essig steht ein Regal, in dem sich nahezu frei von jeglicher Plastikverpackung Seifen, Nagelbürsten, Spül- und Gemüsebürsten und viele Dinge für Kosmetikbegeisterte tummeln. Das Meiste ist entweder komplett unverpackt, befindet sich in Glastiegeln oder dekorativen Blechdosen. Auf dem Regal stehen Kanister aus denen man sich beispielsweise Wasch- oder Spülmittel in mitgebrachte oder vorhandene wiederbefüllbare Flaschen füllen kann.

An der Frischetheke gibt es Käse, der lediglich in hauchfeines Pergamentpapier gepackt wird. Die angeschnittenen Käselaibe allerdings sind in Plastikfolie eingehüllt. Einer der Punkte, bei denen ich immer hinterfrage, ob mir selbst eine praktikable Alternative einfällt. Ich gestehe, trotz einer Vision von käselaibgroßen Blechdosen oder Holzkisten (in klein gibt es sowas ja auch), fällt mir keine existierende ein (Anregungen wie immer herzlich erwünscht).

Ganz vorne bietet die Brottheke frisches Brot und Brötchen, aber auch anderes Gebäck in Demeter-Qualität. Wir haben uns ein Weilchen nach draußen gesetzt, einen Kaffee getrunken und ich hatte dazu die köstlichste Nusstorte, die ich je gegessen habe. Wer es lieber herzhaft mag, für den gibt es im „Freigeist Café“ Suppen und Salate, letztere liebevoll angerichtet in Weckgläsern. Auf den Tischen draußen vor der Türe standen Zuckerdosen parat, Milch wurde im Kännchen mit nach draußen gegeben und auf dem Unterteller lag ein köstlicher unverpackter Keks. Gekrönt hat für mich das Ganze eine wunderschöne kleine Stoffserviette, von der ich vermute, dass sie selbstgemacht, aber mindestens extra für das „Freigeist Café“ angefertigt wurde.

Auf meine Frage, ob ich fotografieren dürfe, reagierte man allerdings ein wenig empfindlich, freute sich jedoch, dass ich überhaupt gefragt habe. Anlässlich dieses scheinbar wunden Punktes habe ich nachgebort und mich dann gegen ein Foto aus dem Ladeninneren entschieden. Davon findet man im Netz genügend. Wenn viele Menschen einfach ungefragt im Geschäft drauflosknipsen und das Material in der Weltgeschichte verbreiten, kann man den Unmut der Ladenbesitzer vielleicht verstehen. Anscheinend vergisst die Menschheit mit Einsetzen der Iphonobie ihren Anstand, früher wäre man gar nicht auf die Idee gekommen, ungefragt irgendwo irgendwas zu fotografieren, was nicht gerade ein öffentliches Denkmal oder ein Stück Natur darstellt. Wir jedenfalls haben sowohl die Besitzer als auch die Angestellte als sehr freundlich, auskunfts- und hilfsbereit erlebt.

Fazit

Mutet der vordere Bereich von Freikost Deinet noch wie ein „normaler“ Bioladen an, mit einem gut sortieren Obst- und Gemüseangebot, klassisch verpackter Bioschokolade und den üblichen (teilweise auch plastikverpackten) Markenartikeln, wird es umso plastikfreier, je weiter man nach hinten durchdringt. Auch preislich liegt Freikost Deinet sicherlich im klassischen Bioladen-Bereich. Dafür bekommt man allerdings auch die entsprechende Qualität.

Besonders lohnenswert für mich persönlich fand ich (neben der göttlichen Nusstorte) die große Auswahl an Müslizutaten, mit denen wir lange unsere Haferflocken aus dem Discounter verfeinert haben. Durch diese Mischung dürften wir preislich kaum über einem Billigmüsli gelegen haben. Diese Zutaten (u.a. Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Nüsse, Vierkorn-Flocken, diverse Crunch-Sorten – alles in Demeter-Qualität!), aber auch das Schrot habe ich bislang vergeblich plastikfrei gesucht. Selbst Reis, den ich mir dort in ein Glas abfüllen konnte, gibt es kaum mehr im Pappkarton, was vor wenigen Jahren noch üblich war.

Vermisst habe ich plastikfrei verpacktes Toilettenpapier. Ich erinnere mich, dass es das früher eingeschlagen in festes Papier gab. Das ist allerdings kein Freikost-spezifisches Problem, sondern ein generelles Manko, über das man auf jeder Plastikfrei-Seite stolpert.

Vorteil gegenüber Online-Shops waren sicherlich die vielfältigen Eindrücke. Einfach mal an einer Seife schnuppern – zumal ich den klassischen und im Bio-Bereich weitverbreiteten Kernseifenduft abgrundtief hasse – oder (bei unserer Verpackungsmentalität ja auch nicht unbedingt üblich) die Ware in natura zu sehen, das macht schon etwas aus. Auch in Sachen Kauflust: Ich habe einige Dinge einfach mal zum Probieren mitgenommen, über die ich sicher später noch berichten werde.

50 Kilometer sind weit, vor allem, wenn man kein Auto hat und es keine Direktverbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Trotzdem werde ich bestimmt irgendwann nochmal zu Freikost Deinet fahren – und sei es nur für ein Stück der köstlichen Nusstorte 😉

© Andrea Wlazik

Lesen Sie außerdem:

Einkauf OHNE bald in München

Einkauf plastikfrei – neue Dimension

Auf in ein plastikfreies Leben!

Weitere Folgen des Plastik-FreiTag

Übrigens: Wortkulturen gibt es auch auf Facebook!