Gewaltvorwurf

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gab es in Bergheim-Niederaußem eine allgemeine Verkehrskontrolle, wegen der jetzt heftige Vorwürfe gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizeibeamten laut werden. Die Insassen des Fahrzeugs scheinen in Zusammenhang mit den Besetzungen rund um den Hambacher Forst zu stehen. Auf deren Blog wird über massive Übergriffe seitens der Polizei berichtet. Die AktivistInnen sehen darin eine Bestätigung ihrer konsequenten Kooperationsverweigerung gegenüber der Polizei und ihres Vorwurfs, dass in der BRD und insbesondere im Einflussgebiet der RWE-Power AG wirtschaftliche Interessen über Grundgesetz und Menschenrechte gestellt werden.

Laut dem Blog der BesetzerInnen wurde schon zu Beginn der polizeilichen Maßnahme gegen 00:00 [Zeitpunkt korrigiert] durch die Beamten ein Zusammenhang zum Anti-Kohle-Aktivismus angedeutet. Daraufhin verlangten sie nicht nur vom Fahrer, sondern von allen Fahrgästen eine Angabe der Personalien. Diese hatten keine Ausweispapiere dabei und lehnten insgesamt die Personenkontrolle im Rahmen einer einfachen Verkehrskontrolle als unzulässig ab, woraufhin alle Fahrzeuginsassen bis auf den Fahrer (der sich per Führerschein auswies) festgenommen und für bis zu 12 Stunden in der Polizeiwache Bergheim in Gewahrsam genommen wurden.

„Als die Cops mich bei der Verhaftung zum Gefangenentransporter geschleift haben, wurde mein T-Shirt aufgerieben und ich habe Schürfwunden erlitten, die während der ganzen Inhaftierung nicht behandelt wurden“, berichtet Hanna* und erzählt weiter: „Ich wurde die ganze Nacht mit Handschellen gefesselt und ohne Decke in der Zelle liegen gelassen. Davon habe ich noch immer Schwellungen und Hämatome an den Handgelenken. Am Morgen verlangte ich deswegen einen Arzt, der mir für nach der Erkennungsdienstlichen Behandlung zugesichert wurde. Als ich dann wieder danach fragte, wurde ich ausgelacht und beleidigt, unter anderem mit dem Spruch: ‚Wer keine Personalien angibt, hat auch keine Rechte.‘“

Mitfahrerin Sarah* ergänzt: „Als ich zur Erkennungsdienstlichen Behandlung geführt wurde und nicht kooperierte, bedrohten mich die Polizist*innen offen mit Gewalt. Schon auf dem Weg zum Behandlungsraum pressten sie meinen Brustkorb zusammen, so dass ich nicht mehr atmen konnte. Als ich deswegen schrie, drückten sie mein Gesicht auf den Boden, um mich ruhig zu stellen.“ Um sie zu zwingen, ihre Hände für die Fingerabdrücke zu öffnen, habe sich ein Polizist mit vollem Gewicht auf ihren Unterarm gekniet und ihr die Faust herumgedreht, erzählt die junge Frau weiter. Aber auch nach der ED hörte die Gewalt nicht auf. „Auf dem Weg zur Zelle wurde ich gewürgt und an meinen Haaren gezogen, wieder um meine Schreie zu unterdrücken. Gleichzeitig wurde ich beleidigt, unter anderem in meiner eigenen Sprache als Hure. Die ganze Zeit über wurde ich wie ein Objekt behandelt und von einem Ort zum anderen gestoßen, ohne dass mir je erklärt wurde, warum mir das alles widerfährt.“

Kritik äußern die KlimaaktivistInnen auch daran, dass ihnen weder die Tatvorwürfe noch irgendwelche Dokumente über die polizeiliche Maßnahme vorgelegt worden seien. Die einzigen Hinweise auf einen Grund für die Härte der Repression beziehen sie aus den eindringlichen Nachfragen der Beamten in Bezug auf das Klimacamp. Dieses wird für die kommende Woche beim Tagebau Garzweiler vorbereitet. Für den Zeitraum der Aktionstage mobilisiert die Kampagne „Ende Gelände“ öffentlich zu einer massenhaften Aktion zivilen Ungehorsams.

Seit dem 22. Juli 2015 ist außerdem ein Hambacher-Forst-Aktivist in Untersuchungshaft. Er wurde während der Räumung des „Turms“, einer sogenannten „lebenden Barrikade“ auf einem Waldweg festgenommen und befindet sich seitdem im Hungerstreik. Eine der Personen aus dem Auto sieht einen klaren Zusammenhang zwischen ihren eigenen Erlebnissen in der vergangenen Nacht und der Situation des Aktivisten in U-Haft: „Die Gewalt gegen uns oder Jus ist nun mal kein Einzelfall sondern Alltag für Menschen, die aus der Norm fallen oder zerstörerische Profitinteressen stören.“
* Namen von der Redaktion geändert

Ich hoffe sehr, dass die Redaktionen der Lokalpresse diesen Gewaltvorwurf ernst nehmen. Hier hat die Presse unbedingt eine Pflicht zur Berichterstattung und darüber hinaus auch dazu, eine Aufklärung zu fordern, anstatt – wie bisher leider Usus – einseitig FÜR die Staatsbeamten und GEGEN die Aktivisten zu berichten.

Wenn Vorfälle diesen Ausmaßes weiterhin ignoriert und totgeschwiegen werden, haben wir in absehbarer Zeit hier in Deutschland ähnliche Situationen wie in diktatorisch regierten Ländern. Dann können Umweltaktivisten nicht mehr ruhig leben. Wo kommen wir denn da hin, wenn sich diese Menschen nicht einmal mehr frei bewegen können?

Es ist im Rheinland allgemein bekannt, dass die Herren Landräte – gleichzeitig auch Kreispolizeibehördenleiter – sowohl des Rhein-Erftkreises als auch des Kreis Düren neben ihrem Gehalt Honorare für ihre vielfältigen Verflechtungen mit RWE Power einstreichen. Wie können derart verflochtene Personen mit derart stark einseitig ausgeprägten Interessen derart mächtige Behörden leiten? Das und der zeitliche Zusammenhang mit der Aktion Ende Gelände kann doch inhaltlich nicht an der lokalen Presse vorbeigehen. Oder doch?

Andrea Wlazik

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