Mokka

Man möge mir verzeihen, dass an dieser Stelle nicht der versprochene Beitrag über die Anti-Kohle-Menschenkette steht. Wen das interessiert, dem empfehle ich diesen Artikel. Meine Fotos lade ich später hoch. Da wir selber in der Kette standen, zeigen diese aber eher das Geschehen nach Auflösen der Kette.

Zu meinem Empfinden des Geschehens nur so viel: Es war kalt und es war nass. Wir (ich und die Kids) haben viele nette Menschen getroffen. Es war irgendwie irreal, da mitten auf dem Feld zu stehen mit Blick auf die Autobahn und immer wieder La-Ola-Wellen zu laufen, im Rücken den Tagebau Garzweiler – Zerstörung pur.

Irgendwo in einiger Entfernung ein Wagen des ZDF, immer wieder mal ein Reporterteam, das vorbei fuhr oder ging. Beeindruckend zu hören, dass es gut 6.000 Menschen waren, mit denen wir da standen, durch ein paar Bäume konnten wir das gar nicht alles überblicken. über 7 km sollen es gewesen sein.

Nach dem Auflösen der Kette riss langsam der graue Himmel auf und die Sonne zeigte sich. Ein langer Marsch nach Immerath, einem kleinen Tagebaurandort. Eine Menge Reden über Braunkohle, Informationen über eine neue Abbaumethode der Amerikaner, bei der Bergkuppen einfach weggesprengt werden, um an die darunter liegende Kohle zu gelangen. Eine Kolumbianerin, die berichtet, wie nur wenige hundert Meter von ihrem Heimatdorf Kohle abgebaut wird. Jede Menge Infostände, ein buntes Rahmenprogramm u.a. mit Purple Schulz. Und auf dem Rückweg bedrückende Wahrnehmung des schon teilumgesiedelten Ortes mit seinen vernagelten Fenster- und Türöffnungen, teilweise doch schon sehr maroden Gebäuden, während dazwischen noch Menschen wohnen. Ein spannender Tag.

Letztendlich wird dieser Tag mir aber immer nur als eines in Erinnerung bleiben: Der Tag, an dem Mokka uns verließ.

Gute Reise Mokka!

MokkaMokka war der kleine schwarze Kater, den uns meine Schwägerin geschenkt hat. Er war ein besonderes Geschenk, eine ganz besondere Katze. Obwohl er die ersten Tage seines Lebens in freier Natur verbracht hatte, lebte er sich in Windeseile bei uns ein. Nach erstem kläglichem Mauzen, das einem fast das Herz zerriss, schlief er gut 10 Stunden im Auto. Zu Hause angekommen, stellten wir sein Körbchen vors neu angeschaffte Katzenklo und er ging da rein, als hätte er nie etwas anderes getan. Neugierig erkundete er die Welt, die für ihn zunächst nur aus dem Inneren unseres Hauses mit noch vielen unausgeräumten Kartons bestand, die er je nach Inhalt ab und an für ein Nickerchen zwischendurch nutzte.

Je älter Mokka wurde, desto öfter saß er auf der Fensterbank und mauzte und für mich klang das wie ein „Raaaaus“. Ab und zu gingen wir mit ihm in den Hof, dort konnte er als kleiner Kater noch nicht weg, die Mauer war zu hoch. Er schnupperte, ließ sich kraulen, rannte hinter gerollten Stöckchen oder Papprollen her, lauschte, sprang, genoss Sonne und frische Luft. Als er dann geimpft, gechipt und kastriert war, durfte er raus. Anfangs erkundete er zögerlich den Garten, blieb immer an meiner Seite und ging brav wieder mit ins Haus. Als er dann das erste Mal seinen Ausgang erweiterte und außer Sichtweite war, war das ein ganz furchtbares Gefühl.

Mokka und ich, das war wirklich Liebe. Als er noch ganz klein war, schlief er oft auf meinem Schoß, wenn ich am Computer saß und schrieb. Später lag er auf dem Computerschrank oder untendrin auf dem brummenden, warmen PC. Merkte er im Halbschlaf, dass ich den Raum betrat, gab es ein wohliges begrüßendes Geräusch. Nachts legte er sich zu meinen Füßen aufs Bett und wenn ich morgens aufwachte, lag er meist auf meinem Kopfkissen oder unter meiner Decke in meinem Arm wie ein kleines Kind. Oft legte er mir seine Pfote ins Gesicht, als wolle er mich streicheln. Und wenn er auf dem Balken in der Küche langstrich, da wo irgendwann einmal die Durchreiche draus werden soll, versteckte er sich hinter dem senkrechten Holzbalken und wir spielten tatsächlich so, wie man „Kuckuck“ mit einem kleinen Kind spielt.

Mokka hatte eine Freundin. Mitra holten wir zu uns, als er sich eingewöhnt hatte. Die kleine Dackelmix-Welpin lag ganz geduldig in der Küche und ließ den kleinen Kater auf sich zu kommen. Und er kam. Zunächst immer einen Schritt vor, Buckel, fauchen, zwei Schritte zurück. Irgendwann unterblieben die zwei Schritte zurück, eine Weile später auch das Fauchen. Er kam zu mir und versteckte sich hinter mir, linste immer neugierig vor, traute sich aber noch nicht.

Mokka und MitraEine Stunde hat das Ganze gedauert, von einer Distanz von etwa 2 Metern auf Körperkontakt mit ersten vorsichtigen Pfotenstupsern. Seitdem liebten sich die zwei. Auf der Decke wurde gemeinsam gekuschelt, getrunken wurde fortan nur noch aus einem Napf.

Kam Mokka rein, stürzte sich Mitra auf ihn und wollte toben. Schlief Mitra, animierte Mokka sie zum Spielen, was vor allem Nachts wirklich spannend war.

Anfangs hatten wir immer Angst, wenn sie balgten. Vor allem um den Kater, der dem Dackel an Gewicht und Größe bald unterlegen schien. Einmal schrie Mokka ganz erbärmlich. Wir rannten, um zu sehen, was passiert war. Da lag der kleine Kerl unter Mitra, den Kopf zwischen ihren Hinterbeinen durchgestreckt, hielt sie mit den Pfoten an den Hüften fest und biss ihr herzhaft in den Hintern. Das Geschrei war wohl sein Kampfgeschrei.

Sie waren einfach so süß, die zwei, dass man sich nicht satt sehen konnte. Sie rannten die Treppen rauf und runter, von einem Versteck ins Nächste – wobei unsere Dackelina oft Probleme hatte, hinterherzukriechen – und wenn der Kater genug hatte, sprang er auf die Arbeitsplatte, auf den Kleiderschrank oder auf das Bett meines Sohnes. Dort schlief er öfter, ebenso wie in der Ecke hinter dem Computerschrank, wo er immer jämmerlich mauzte, wenn er heraus wollte. Solange zumindest, bis wir begriffen, dass er aus dem Stand die 1,50m locker selber schaffte. Aber es war ja lustiger, wenn die Menschen den Schrank wegschoben, damit er dahinter hervorkonnte.

Besonders bequem wurde es für ihn mit den Katzenklappen. Er brauchte eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Und selbst als er sie zu benutzen wusste, ließ er sich gerne noch die Türe öffnen und sich mit den Worten „Viel Spaß, wiederkommen nicht vergessen.“ verabschieden. Er konnte rein und raus, wie er wollte. Mokka liebte es, zu jagen und ich vergesse nie den Schreck, den ich bekam, als er mit dem ersten toten Vogel im Maul an mir vorbei in die Küche huschte. Aber man konnte ihm nicht böse sein. Ich konnte ihm nicht böse sein.

Er war das liebevollste Wesen, das man sich nur vorstellen kann. Auch wenn er mir ganz besonders zugetan war, reichte seine Liebe für viele. Eine Weile ging er fremdkuscheln in der Nachbarschaft. Wie uns später zugetragen wurde, sogar in verschiedenen Häusern. Oft roch er nach Parfüm, wenn er wieder kam. Nach Hause kam er immer.

Mokka hatte ein glückliches Leben und wir mit ihm viele wundervolle Momente. Für mich gehörten sie zu den schönsten meines Lebens. Ich versuche mich daran festzuhalten und es gelingt mir manchmal sogar schon, dabei zu lächeln. Zum Beispiel bei dem Gedanken daran, wie er vor ein paar Tagen beim Gießen der Pflanzen von dem Wasserstrahl aus der Gießkanne trinken wollte. Wasser war sein Element, das fand er toll. Er spielte gerne in Pfützen und patschte auch schonmal spielerisch in den Wassernapf. EInmal sprang er sogar in die Badewanne, in die gerade Wasser einlief. Als ich ihn das erste Mal dabei erwischte, wie er in unser Gewächshaus pinkelte, goss ich ihm Wasser über den Kopf. Er blieb sitzen und genoss das noch.

MokkaEr war überhaupt ein Genießer. Als neuen Lieblingsplatz hatte er sich eine kleine Kiste auf dem Schreibtisch meines neuen Büros ausgesucht. Direkt in der Sonne. Kam ich ins Büro, kam ein einladendes Schnurren, er drehte sich auf den Rücken und ließ sich genüsslich den Bauch kraulen. Wurde es ihm zu heiß, verzog er sich auf die Schattenseite und ignorierte, alles, was dort lag.

Mokka wurde gerade mal 20 Monate alt. Er fehlt mir so. Es ist, als hätte jemand ein Stück aus meinem Herzen gerissen. Und zu wissen, dass er sehr gelitten hat, macht es nicht besser. Ich wünschte, ich hätte ihn gefunden, ich hätte bei ihm sein können, als die Feuerwehr ihn zum Tierarzt brachte. Ich war bei der Anti-Kohle-Menschenkette. Aber selbst wenn ich es nicht gewesen wäre, er war irgendwo in irgendeinem anderen Garten, ich konnte ihn weder sehen, noch hören, ich hätte nichts tun können.

Trotzdem wird es von mir über die Anti-Kohle-Menschenkette nicht viel mehr geben als ein paar Fotos. Denn für mich war der gestrige Tag einer der schlimmsten meines Lebens.

© Andrea Wlazik