einkaufaktuell 
Jeden Samstag landet sie in meinem Briefkasten. Und in dem meiner Nachbarn. Und in dem meiner Schwester, meines Bruders, der Lehrerin meines Sohnes, in dem des Apothekers, des Bäckers, des Fleischers und in über 20 Millionen weiteren Briefkästen in Deutschland.

Den Einen hat sie seinerzeit das dringend benötigte Zubrot geraubt, den Anderen raubt sie seit Jahren den letzten Nerv. Die Rede ist von „Einkaufaktuell“, der Werbung aus der Tüte, dem Möchtegern-Service-Blättchen der Deutschen Post, das sich auf dem Weg zu Millionen von Haushalten ein Plastikbeutelchen mit vielen weiteren Werbeprospekten teilt.

Einkaufaktuell, der Türöffner

Als „Türöffner“ bezeichnet die Deutsche Post das dünne Heftchen, das aus einer arg abgespeckten Version des Fernsehprogramms einiger weniger Sender, dafür aber aus umso mehr Werbeanzeigen besteht. Rechtlich gesehen ist Einkaufaktuell alleine schon durch seinen Verbund mit weiteren Prospekten schlicht eines: Werbung. Und zwar eine, die mit einer ganzen Menge überflüssigem Müll bei uns landet.

Drei Gramm wiegt die Kunststoffverpackung von Einkaufaktuell. Das geringe Gewicht ist ein Argument, das die Deutsche Post für diese Art Verpackung vorbringt. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass gerade so leichte Folien und Tüten, die auf offenen Deponien landen, gerne vom Winde verweht und in die Umwelt hinausgetragen werden. Dort verschmutzen sie Gewässe. Tiere verwechseln sie mit Nahrung und verenden kläglich. Oder aber die Folien landen als Kleinstpartikel über Fisch o.ä. auf unseren Tellern.

Nun sollte man ja meinen, dass die 3 Gramm, die der dünne Plastikbeutel wiegt, nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Aber wie so oft im Leben, „läppert es sich“ – wie der Kölner sagen würde. Frei ins Hochdeutsche übersetzt: Kleinvieh macht auch Mist!

2.886 Tonnen Plastikmüll

Bedenkt man, dass jede Woche weit über 20 Millionen Haushalte mit diesen 3 Gramm Kunststoff beliefert werden, ist es nicht mehr wirklich verwunderlich, dass die Deutsche Umwelthilfe etwa 2.886.000 kg Kunststoffmüll pro Jahr schätzt, die alleine durch den Versand von Einkaufaktuell nebst regional unterschiedlicher Prospekte verursacht werden. 2.886 Tonnen Plastikmüll, die sich vermeiden ließen, wenn die Prospekte so wie früher einfach lose verteilt oder in die lokalen Wochenblättchen eingelegt würden.

Dann könnte die alte Frau Schmitz ihre Rente immer noch mit dem Einwerfen von Edeka-Werbung in der Nachbarschaft aufbessern. Und die sechsköpfige Familie, die immer die Wochenblättchen verteilt, könnte davon nach wie vor einmal im Jahr für eine Woche auf den Campingplatz. Die Reporterin Frau Schreibefix bekäme beim Wochenblättchen ein Honorar, von dem sie auch ohne ergänzendes Hartz IV leben könnte. Frau Schmitzens Kaufkraft würde steigen, ebenso wie die von Familie Vielkind und Frau Schreibefix. Alle könnten sie beim Einkauf wieder mehr auf Qualität achten, solide Produktion unterstützen und die Wirtschaft ankurbeln. Aber die kurbelt sich lieber selber an, auf direktem Wege, auf den Schultern der „kleinen Leute“ und der Umwelt.

Einkaufaktuell anders verpacken

Das ist ein Ansatz, den Fabian Lehner seit letztem Jahr verfolgt. Der damals 19-jährige erstellt am 24.05.2014 eine Petition, in der er von der Deutschen Post fordert, Einkaufaktuell anders zu verpacken. Man könne doch die Prospekte ineinander zu falten und das Ganze falls nötig mit einem Klebepunkt zu fixieren, so sein Vorschlag. Einen Monat später zählt die Petition bereits mehr als 40.000 Stimmen, eine weitere Woche später ist die 50.000er Marke geknackt. Am 30.07.2014 überreicht Fabian dem Pressesprecher der Deutschen Post in Nürnberg beinahe 60.000 Unterschriften. Von der Übergabe ist er enttäuscht. Auf seinem Blog schreibt er, das Treffen sei bereits nach 15 Minuten wieder beendet gewesen, zu einem Gespräch über die Hintergründe zur Verpackung von Einkaufaktuell seien die Verantwortlichen nicht bereit gewesen.

Fabian gibt nicht auf. Er lässt die Petition weiterlaufen und überreicht an einem weiteren Termin am 05. November 2014 im Beisein der „gesamten deutschen Presselandschaft“ knapp 140.000 Unterschriften. Anders als im Juli fühlt er sich dieses Mal ernst genommen von der Deutschen Post. Anstatt eines Handshakes zwischen Tür und Angel gibt es dieses Mal einen dreitstündigen Runden Tisch. Rückendeckung bekommt Fabian Lehner durch Vertreter des BUND. Das Ergebnis des Gesprächs ist ein erster Erfolg.

„Die Deutsche Post hat sich mir gegenüber verpflichtet, aktiv nach einer ökologisch verträglicheren Alternative zur bisherigen Folie suchen zu wollen. Dies wird ein langfristiges, wahrscheinlich forschungsintensives Unterfangen werden.“ berichtet er in der Petition. Außerdem teste die Deutsche Post aktuell eine Folie, die aus 50% Altfolie bestehe. Um den Druck weiterhin aufrecht zu erhalten, will Fabian Lehner seine Petition weiter laufen lassen. Dass dies eine kluge Entscheidung ist, hat die Vergangenheit bewiesen.

Kein Einkaufaktuell

Der durch die Petition erreichte Zwischenerfolg ist gemessen am Problem ein geringer, denn mehr als mündliche Versicherungen gibt es nicht  Verändert hat sich bislang nichts. Sehr zum Ärger der Menschen, die diese Werbeblattsammlung nicht haben wollen bzw. den dadurch anfallenden tonnenschweren Müllberg als überflüssige Umweltbelastung erkennen. Was tun?

Post an die Post

Wir haben bei der Deutschen Post angerufen und nachgefragt, an wen man sich am Klügsten wendet, wenn man Einkaufaktuell nicht in seinem Briefkasten haben möchte. Die Adresse findet sich – wie sollte es anders sein – im hier verlinkten Musterbrief an die Deutsche Post AG, den Sie mit Ihrer eigenen Adresse versehen und brav frankiert in einem Umschlag auf die Reise schicken.

Sollte Einkaufaktuell dann immer noch in Ihrem Briefkasten landen, kann man sich auf das Urteil berufen, das ein Rechtsanwalt erwirkte, dem Einkaufaktuell ebenfalls ein Dorn im Auge war. Nachdem er die Deutsche Post schriftlich vergeblich aufgefordert hatte, die Zusendung der eingeschweißten Werbeblättchen zu unterlassen, reichte er Klage ein wegen unzumutbarer Belästigung durch ungewollte Postwurfsendungen. Das Gericht gab ihm Recht und verdonnerte die Deutsche Post unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die unerwünschten Lieferungen einzustellen.

Einkaufaktuell eine kleben

Alternativ oder auch zusätzlich zum Anschreiben an die Deutsche Post empfiehlt es sich, einen Aufkleber am Briefkasten anzubringen. Wer gar keine Werbung erhalten möchte, ist mit einem herkömmlichen Aufkleber „Bitte keine Werbung“ oder „Hier bitte keine Postwurfsendungen“ gut bedient. Wer lediglich auf Einkaufaktuell verzichten möchte, der findet auf der Facebook-Seite „Stoppt EINKAUFAKTUELL“ einen netten Sticker zum Ausdrucken auf selbstklebende Folie. Wenn Ihr Briefkasten wettergeschützt aufgehängt ist, können Sie diesen auch einfach auf ein herkömmliches Etikett aus Papier drucken und das an Ihrem Briefkasten anbringen.

Direkt an die Wurzel

Eine weitere Möglichkeit ist es, jene zu informieren, die das „Pflänzlein Einkaufaktuell“ wässern: die Auftraggeber. Teilen Sie Ihrem Lebensmittelhändler, dem Möbelgeschäft im Nachbarort, der Modeboutique und jedem, der seine Werbeblättchen per Einkaufaktuell streut, mit, dass Sie in Kunststoff eingetütete Werbesendungen künftig verweigern werden. Hierzu gibt es den Musterbrief an Einkaufaktuell-Auftraggeber, dem Sie allerdings neben Ihrer Adresse auch noch die des entsprechenden Auftraggebers zufügen müssen. In der Regel finden Sie diese in den Prospekten.

Zurück an Absender

Verweigern Sie die Annahme! Schreiben Sie mit einem dicken Edding „Annahme verweigert“ auf die ungeöffnete Plastikverpackung von Einkaufaktuell und werfen Sie diese in den nächsten Briefkasten oder drücken Sie sie dem Postboten in die Hand. Selbst wenn das die einzige Maßnahme ist, die Sie ergreifen, dürfte bei entsprechender Rücklaufzahl irgendwann irgendwer an entsprechender Stelle ins Grübeln kommen.

Zu guter Letzt: Informieren Sie doch Ihre Freunde und Bekannten, reden Sie, teilen Sie diesen Artikel und/oder die Petition. Je mehr Menschen sich an einer Veränderung beteiligen, desto eher wird sie sich einstellen.

© Andrea Wlazik

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