lobbyDer „kölsche Klüngel“ ist beinahe so bekannt wie der Kölner Dom oder zumindest wie das Hänneschen-Theater.

Was zunächst einmal ein „eine Hand wäscht die andere“ ist, entwickelt sich schnell so, dass da nicht mehr Hände gewaschen werden, sondern Westen. Weitet sich der ursprüngliche Klüngel auf Politik und Wirtschaft aus, entstehen Konstellationen, die oft scharf an Amtsmissbrauch grenzen.

Kölscher Klüngel

Klüngel – zumindest den Ausdruck – kennt man vor allem im rheinischen Raum. Der „kölsche Klüngel“ ist ursprünglich nicht mehr und nicht weniger als ein „Hand in Hand“. Man kennt sich, man hilft sich.

Die Frau Schmitz von nebenan hat die Grippe, da bringt man ihr mal ein Geflügelsüppchen vorbei. Die Sprechstundenhilfe vom Allgemeinarzt um die Ecke ist unsere Nichte, deshalb erreichen wir für die Frau Schmitz auch noch, dass der eigentlich viel zu beschäftigte Doktor bei ihr vorbeikommt und sie sich nicht in die Praxis schleppen muss. Wenn wir dann demnächst ein neues Sofa brauchen, revanchiert sich die Frau Schmitz mit einem Mitarbeiterrabatt beim Möbelhaus am anderen Ende der Stadt – dort ist nämlich ihr Sohn angestellt.

Klüngel – zumindest der kleine Klüngel im eigentlichen kölschen Sinne – bedeutet also, dass man einander hilft, auf Gegenseitigkeit.

Wenn die Klüngeler in einflussreichen Positionen sitzen, weitet sich der Klüngel aus – und dann kann es gefährlich, ja sogar kriminell werden. Dann ist der ältere Sohn der Frau Schmitz vielleicht beim Bauordnungsamt angestellt. Und heftet – als ihm gegen uns eine Beschwerde wegen Verstoß gegen Bausicherheitsvorschriften auf den Tisch flattert – die unliebsame Meldung einfach mal eben als geprüft und nicht korrekt ab. Immerhin haben wir seine Mutter versorgt, als sie krank war. Das Ergebnis:

Klüngel nimmt Kurs in Richtung Politik

In der Politik kann Klüngel bedeuten, dass die Politiker unterschiedlicher Parteien und/oder Fachbereiche sich in privater Atmosphäre im Café oder beim Gang zum Kopierer auf dem Flur unterhalten, um Dinge zu klären, die sonst einen langen Amtsweg benötigen. Geht heute nicht mehr ganz so einfach wie früher – erleichtert aber immer noch einige Vorgänge. Kriminell wird es, wenn derart geklüngelt wird, dass Ämter ausgenutzt werden – sei es zum privaten Vorteil oder zum Vorteil von jemandem, der mit dem Amtsinhaber klüngelt.

Mir fällt da auf Anhieb ein Energieunternehmen ein, das mit Vorliebe amtierende Politiker und ehemalige Amtsinhaber in führende Positionen aufnimmt. Da wird dann so manch einer auch mal den eigenen Prinzipien – oder denen seiner (ehemaligen) Partei untreu. Das ist aber kein Problem, so etwas lässt sich ja grünwaschen – man ist dann halt als „Berater“ tätig, natürlich ganz im Sinne der hehren Parteigrundsätze.

Klüngel auf dem Weg in höhere Politsphären

Aktuell verfolge ich die Vorgänge im Hambacher Forst, speziell die Besetzung durch Umweltaktivisten. Immer wieder hat mich gewundert, mit welch zunehmender Massivität die Polizeikräfte Dürens gegen „die paar Aktivisten” vorgingen und vorgehen. Immer wieder war da von mehreren Hundertschaften gegen Anzahlen ab 6 Personen aufwärts bis hin zu max. 30 die Rede.

Neuerdings – ich schrieb es schon in den unten verlinkten Artikeln – wird der Security im Forst bei Räumungsaktionen freie Hand gelassen, wobei es auch schon zu Ausschreitungen kam. Bei den Eskalationen Ende Oktober z.B. hielt sich die Polizei komplett raus und nahm im Anschluss die vom Sicherheitsdienst festgehaltenen Aktivisten alleine aufgrund der Aussagen der Sicherheitsleute fest. Außerdem wurden die Aktivisten im Polizeipressebericht vorverurteilt, obwohl die Polizei sich nur auf Aussagen des RWE-Pressesprechers beziehen konnte – die Aktivisten selbst waren bis dato noch nicht befragt worden. Die Presse übernahm größenteils die Informationen der Polizei, wodurch die zunehmende Kriminalisierung der Aktivisten nochmal an Schub gewann.

Als vor einigen Tagen ein auf dem Baum sitzender Aktivist von Sicherheitskräften eingekesselt und zwangsweise wachgehalten wurde, habe ich selbst am Morgen des 27.11.2014 NRW-Innenminister Jäger und die Polizeidienststellen Düren, Aachen und Rhein-Erftkreis darüber informiert – ohne jegliche Reaktion. Trotz Gefährdung des Menschen auf dem Baum half die Polzei diesem nicht. Mittags hieß es, die Polizei Merzenich (Kreis Düren) weigere sich zu räumen, weil es schon zu spät sei (Mittags gegen 14 Uhr!!!) und das Wetter so schlecht.

Klüngel auf Abwegen

Gestern bin ich durch einen Artikel der Aktivisten zum ersten Mal darüber gestolpert, dass Dürens Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) seit 2011 Mitglied im Aufsichtsrat von RWE Power und Mitglied des RWE-Beirats Mitte ist. Gleichzeitig ist er Leiter der Polizeibehörde Düren. Da fällt es einem doch wie Schuppen von den Augen!

Nun fordert eben dieser Landrat Spelthahn erneut („Alle Jahre wieder…“) , dass die Wiese beim Hambacher Forst geräumt wird, auf der die Aktivisten sich aufhalten.

Diese Wiese befindet sich im Privatbesitz eines seriösen Bürgers, der für seinen Einsatz gegen den Tagebau schon einiges an Repressionen über sich hat ergehen lassen müssen. So wurde ihm u.a. sein PKW, an dem er diesbezüglichen Schriftverkehr mit Behörden ausgehängt hatte, mit Farbe besprüht. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden an dem Fahrzeug die Scheiben eingeschlagen.

Der kölsche Klüngel bzw. dessen bösartige Wucherungen haben langjährige Tradition bei RWE Power. Wo er nicht so offensichtlich ist wie bei Landrat Spelthahn, ist er zumindest zu erahnen.

Klüngel oder Amtsmissbrauch?

Aktuell im Aufsichtsrat der RWE Power AG sitzen u.a. die (Ober-)Bürgermeister von Eschweiler, Hürth, Köln und Essen (letzterer als Arbeitnehmervertreter), außerdem mehrere Landräte und ein Vorstandsmitglied der Commerzbank. Und Wolfgang Clement, ehemals SPD-Politiker, NRW-Ministerpräsident a.D. und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit a.D.

Clement sitzt gleichzeitig in den Aufsichtsräten von RWE und von DuMont Schauberg, dem Herausgeber des Kölner Stadtanzeigers, der sich u.a. durch die Veröffentlichung von Artikeln gegen die Hambacher Forstbesetzung – die Gegner von RWE-Power – hervortut. Dabei wird sich nicht immer an die Tatsachen gehalten – bloße Verdächtigungen und reißerische Überschriften, die zu falschen Annahmen beim Leser führen müssen, sind dabei schon fast die Regel.

In den letzten Jahrzehnten erhielten unzählige einflussreiche Menschen, vom kommunalen Politiker bis zum Abgeordneten, Bezüge von RWE Power und deren Tochterfirmen für Mandate in Aufsichts- oder Beiräten oder Vorstandsposten. Auch Zahlungen ohne Gegenleistungen soll es schon gegeben haben – Schmiergeld nennt man das dann wohl.

Honorar nennt man es dagegen, wenn es sich um eine Beratertätigkeit handelt: Eine große Enttäuschung war und ist diesbezüglich Joschka Fischer. Wie konnte der einst mit Jeans und Sandalen bekleidete Ur-Grüne so weit sinken, als Berater für RWE Power tätig zu werden?

Im Marketing dürften derlei Vorgänge als Meinungsbildnerpflege bezeichnet werden. Hierzulande nennt man sie schlicht: Klüngel. Von der rechtlichen Seite betrachtet, dürften Verflechtungen wie die des Herrn Landrat Spelthahn vermutlich unter Amtsmissbrauch fallen.

© Andrea Wlazik

Quellen:
Spiegel
Süddeutsche
RWE

Weiterführende Artikel auf Wortkulturen.de:

Hambacher Forst: Verbrecher im Wald

Offener Brief an Herrn Jäger, Innenminister NRW

Offener Brief an Sicherheitsunternehmen im Hambacher Forst

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